Am 31. August 2022 ist mein neuer Roman
"Der Sandkasten" erschienen. Wenn man so will, handelt es sich um eine Art Gegenwartsadaption von Wolfgang Koeppens Roman "Das Treibhaus". Die Idee dazu kam mir vor etwa fünf Jahren, als ich noch einmal seine "Trilogie des Scheiterns" las, die mir zwischen 20 und 30 eines der herausragenden Leseerlebnisse gewesen ist. Beim Blick auf das politische Geschehen in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg dachte ich, dass ich auch gern einen Roman schreiben würde, der in der unmittelbaren Gegenwart und im Zentrum des politischen Geschehens der Hauptstadt spielt, mit Protagonisten, die zumindest teilweise, die Geschicke des Landes 2020 mitbestimmen, und beschloss, die Geschichte an genau dem Tag spielen zu lassen, an dem ich anfangen würde ihn zu schreiben - ohne die Reflektionsdistanz, die ich sonst immer gebraucht habe, ohne das Wissen des Rückblicks. Eigentlich hatte mir die zähe Langeweile am Ende der Merkel-Ära vorgeschwebt, doch dann kam Corona und fast nichts von dem, was ich mir für meine Figuren überlegt hatte, konnte so stattfinden, wie es unter normalen Umständen stattgefunden hätte - im Leben wie beim Schreiben.
Der "Dorfroman"
Vor 20 Jahren habe ich mich in dem Roman "Stadt Land Fluß" schon einmal mit dem Dorf am Niederrhein beschäftigt, in dem ich aufgewachsen bin. Was ich damals weggelassen habe, war, dass in eben diesem Dorf, nahe Kalkar, während der 1970er und 80er Jahre ein Kernkraftwerk gebaut wurde, das "der Schnelle Brüter" hieß und einige der größten Anti-Atomkraft-Demonstrationen der alten Bundesrepublik unmittelbar vor unserer Haustür vorbeiführte. Mein Vater war während meiner gesamten Kindheit auf Seiten der AKW-Befürworter engagiert, was einer der Gründe für heftige pubertäre Auseinandersetzungen und meine eigene politische Emanzipation wurde. Das Dorf ist durch diesen Konflikt zerrissen worden, Freundschaften zerbrachen, Nachbarn redeten jahrzentelang nicht miteinander. Gleichzeitig lösten sich die landwirtschaftlichen Strukturen und strikten kirchlichen Bindungen mehr und mehr auf. Der Schnelle Brüter ging nie ans Netz und beherbergt heute einen Freizeitpark mit dem schönen Namen "Kernwasserwunderland". Meine alten Eltern sind inzwischen froh, dass kein Atomkraftwerk in ihrem Dorf steht. Von all dem erzählt der Roman.
Ich habe immer gezeichnet während der vergangenen dreißig Jahre, doch seit einiger Zeit wusste ich nicht mehr recht, was daraus werden soll.
Wie schon vor fünfzehn Jahren, als mir das Schreiben plötzlich ganz leer vorkam und eine alte Chawan mich in "Mitsukos Restaurant" geführt hat, sind es auch jetzt wieder die japanischen Teeschalen, die mir zeigen, wohin es gehen könnte.
Hier gibt es einen schönen Beitrag über den "Dorfroman" für das Magazin Druckfrisch, den ich mit Denis Scheck im ehemaligen Freundschaftshaus, direkt gegenüber dem Schnellen Brüter/Kernwasserwunderland aufgenommen habe.