Meinungen

Bei einem Gesellschaftsereignis hier in den Gärten der Botschafterresidenz, zu dem auch eine Japanerin gekommen war - was nichts zur Sache tut -, sagte ich zu einer deutschen Frau: Je länger ich mir Länder wie die Türkei oder auch Ägypten ansähe und je mehr Leute ich spräche, desto weniger wisse ich, was ich über deren gesellschaftspolitische Situation und unsere Möglichkeiten der Einflussnahme eigentlich denken solle. Sie erklärte mir leicht gereizt, dass sie absolut kein Verständnis dafür habe, wie man Machthabern vom Typ Erdogan oder Sisi irgendeine Sympathie entgegenbringen könne, wobei ich mich gar nicht erinnerte, so etwas wie Sympathie geäußert zu haben.

Mir fiel meine Lieblingsgeschichte von Mulla Nasruddin ein, der, nachdem der Richter seines Dorfes verstorben war, von den Bewohnern zu dessen Nachfolger bestimmt worden war. Als der Mulla seinen ersten Fall verhandelte, versammelten sich alle Leute auf dem Dorfplatz. Einer der beiden Kontrahenten trat in die Mitte, legte seine Sicht des Streits dar, ausführlich und mit wohlgewählten Worten, und nachdem der Mann geendet hatte, sagte der Mulla: „Mir will wohl scheinen, mein lieber Freund, dass du ganz und gar Recht hast.“ Daraufhin sprang sein Gegner auf und begann, schon ein wenig erregt ob der Darstellung des Vorredners, seine Sicht der Dinge darzulegen. Nachdem der Zweite geendet hatte, wiegte der Mulla nachdenklich den Kopf und sagte: „So wie du es dargelegt hast, mein lieber Freund, hast du gewiss Recht.“ Daraufhin schrie die Ehefrau des Mullas aus dem Publikum: „Mann, wie kannst du sagen, dass dieser Recht hat, wo du doch eben erst dem Anderen zugestimmt hast?“ Der Mulla stand da, nickte nachdenklich, seufzte tief und sagte: „Ja, Frau, ich gebe zu, auch du hast sicher Recht.“

Nun soll bitte keiner so tun, sage ich zum mir selbst, als ob die gewaltigen gesellschaftlichen Konflikte von heute sich irgendwie mit dieser albernen Geschichte vergleichen ließen. Sowieso ist die permanente Ironisierung von allem absolut verantwortungslos, andernorts bekommt man dafür 1000 Stockschläge oder ist seinen Job als Laborleiter los, Professor hin, Nobelpreis her.

„Nicht witzig“, sagt die Tochter, „sagt das Känguru.“

Da hat sie zweifellos Recht.